Selbstorganisation
Kollektive Selbstbestimmung bedeutet für uns, dass wir über gemeinsame Belange auf Augenhöhe diskutieren und nach dem Konsensprinzip entscheiden. Jede*r der*die bei uns mietet wird automatisch Mitglied in unserem Hausverein. Dem Hausverein wiederum gehört die GmbH die das Haus verwaltet: Wer bei uns wohnt ist Mieter*in und Haus-Eigentümer*in zugleich.
Um Entscheidungen zu fällen treffen wir uns regelmäßig in Plena, die je nach Bedarf monatlich bis wöchentlich stattfinden können. Hier tragen wir alle Belange, Neuigkeiten und Ankündigungen zusammen und schmieden gemeinsam neue Pläne. Gemäß dem Konsensprinzip (= Einvernehmlichkeit Aller) werden kontroverse Entscheidungen werden nicht einfach mehrheitsdemokratisch verabschiedet: Denn das fühlt sich nur für jene toll an, die selber zur gewinnenden Mehrheit gehören. Anstattdessen suchen wir nach stets Lösungen mit denen wirklich alle gut leben können. Das dauert natürlich häufig etwas länger. Dafür bekommen wir aber Entschlüsse die wirklich von allen gemeinsam getragen werden – und keine*r fühlt sich übergangen, was unser Miteinander vergiften würde.
Damit wir nicht immer a l l e s diskutieren müssen gründen wir für verschiedene Aufgabenbereiche Arbeitsgruppen (AGs). So gibt es zum Beispiel die AGs „Garten“, „Finanzen“, „Baustellen“ und viele mehr. Da wir uns gut kennen wissen die AGs welche Entscheidungen sie selber fällen können und womit sie sich besser an das große Plenum wenden.
Unsere Gesellschaft ist durchzogen von hierarchischen Rastern. In zahlreichen Beziehungen lernen wir immer wieder uns in diese Raster einzufügen: Eltern/Kind, Rektor*in/Lehrer*in/Schüler*in, Chef*in/Vorgesetzte*r/Angestellte*r, Polizist*in/Bürger*in und so weiter. Während Machtgefälle nicht per se schlecht sein müssen bringen sie leider doch eine Vielzahl an Problemen mit sich: Viel zu oft werden Machtposition zu privaten Vorteilen ausgenutzt, die Benachteiligten sind den eventuell willkürlichen Entscheidungen der Mächtigen ausgesetzt und die Struktur reproduziert so gut wie immer bereits bestehende Strukturen der Diskriminierung: Weiße, männliche, ältere, reichere, körperlich fittere Menschen die selber Kinder einflussreicher Familien waren haben viel höhere Chancen mächtige Positionen zu besetzen als andere. Dies kann als nahtlose Fortsetzung einer Erdgeschichte interpretiert werden die geprägt ist von Kolonialismus, Patriarchat, Ausbeutung und Krieg.
Eine Welt zu bauen die nicht auf derartigem fußt erfordert nicht nur großpolitische Veränderungen, sondern auch eine zivile Gesellschaft die bereit ist für sehr flache bis nicht-existente Hierarchien: Wir müssen Strukturen denken und erproben die ohne jene ordnungsstiftenden Hierarchien gleichermaßen funktionsfähig sind. Und wir müssen es üben selber nicht zu herrschen und uns nicht beherrschen zu lassen.
In üblichen Haus- und Wohngemeinschaften gibt es immer einen mächtigen und bestimmten Eigentümer oder Hauptmieter. Diese Person oder Personengesellschaft bestimmt den Mietssatz, entscheidet wer einzieht oder rausgeworfen wird und verfügt relativ frei, definitiv aber über die Köpfe der Mieter*innen hinweg, über Veränderungen an der Infrastruktur des Hauses(/Wohnung). Für viele Menschen bedeutet das von vornherein, dass dieser Wohnraum „nicht für sie gedacht ist“, sie also ausgeschlossen werden. Denn er ist zu teuer oder nur für Menschen mit bestimmten Nachnamen, Berufsstatus oder Alter.
Wir finden dass Wohnen ein Grundrecht Aller ist und Wohnraum daher immer grundsätzlich für alle gedacht sein muss. Wir sind genervt davon Strukturen zu behausen die wir nicht verändern dürfen weil sie Wertinvestitionen gewinnorientierter Imobillienfirmen oder privater Spekulanten sind.
Als Bewohnerschaft ein Haus selber zu verwalten geht außerdem mit wichtigen Lernprozessen einher: Wie kann Verantwortung kollektiv verteilt und erfüllt werden? Und wie halten wir das Gebäude instand? Wir lernen dabei viel über Gruppendynamik, Organisation und Zusammenarbeit und Handwerk. Wir werden weniger entfremdet von wichtigen Teile unserer Lebensgrundlagen.
Als Teile einer solidarischen Hausgemeinschaft haben wir immer Freunde um uns, an die wir uns wenden können wenn wir mal mit einem Problem nicht mehr alleine zurecht kommen. Wir streben generell danach so gut wir können füreinander da zu sein.
Durch unsere Form als Mietshäuser Syndikat können wir außerdem niedrige Mieten für uns alle garantieren ohne dass Menschen beim Einzug eine Hausbeteiligung vorgestrecken müssen. Wie hoch die Mieten im einzelnen sind beschließen wir dann gemeinsam in Bieterunden. Es gibt eine Gesamtmiete für das Haus und nacheinander sagt jede*r, wieviel er*sie monatlich dazu beitragen kann. Falls die Gesamtmiete nicht auf Anhieb erreicht wird gibt es eine weitere Runde in der alle nochmal etwas hochgehen können usw. – solange bis die Gesamtmiete gemeinsam gedeckt wird. Wie viel jede*r zahlen soll, orientiert sich nicht etwa an den m² der jeweiligen Zimmer, sondern daran wie viel der einzelne Mensch eben zahlen kann. Finanzielle Engpässe bei Einzelnen können so von der Gruppe als ganzes durch eine solidarische Anpassung der Mieten mitgetragen werden.
Ähnlich läuft es bei unserer Essenskasse: Der Großteil des Hauses teilt sich eine Küche. Klar kann jede*r immer ihr*sein eigenes Süppchen kochen. Das ist kein Problem und wird auch manchmal so praktiziert! Letztlich haben aber alle etwas davon wenn gleich für alle gekocht wird. So hat sich bei uns auch eine gemeinsame Essenskasse ergeben in der alle wöchentliche so viel Einzahlen wie sie können. Gemeinsame Großeinkäufe für Alle werden daraus finanziert, genauso wie unsere Gemüßekiste vom Regionalkollektiv (Das ist bei uns die nächstgelegene solidarische Landwirtschaft).
Wo es geht wollen wir auch Menschen außerhalb des Hausprojekts helfen, zum Beispiel durch eine vorübergehende Unterbringung bei uns. Wir hatten schon viel interessanten Besuch auf diese Weise!